Nadja Thelen-Khoder

Aus dem Tagebuch meiner Mutter (3)
Ostern 1945

Dieser weiteren Abschrift aus dem Tagebuch meiner Mutter gehen die Dateien 347 und 351 voraus. Also weiter:

„am 30. III. 1945, Karfreitag bekamen wir in den frühesten Tagesstunden (4h) Einquartierung, Oberleutnant F. Er gehörte zu einer Genesungskompanie, die von Iserlohn zufuß kam und hier stationierte. Ich stand 6h auf, ahnend, daß Gerda nicht zurückkam, und putzte unten, versorgte Hühner und Heizung u.s.w. Gegen ½ 9, Mutti war gerade aufgestanden, kamen Fähnriche, die zu ihrem Chef, unserem Oltnt. wollten. Dann erschien ein anderer Ltnt., ein Hauptm., ein Major, ein Ritterkreuzträger, ein Eichenlaubträger – na, kurz und gut: bald hatte sich oben ein ganzer Stab (ca 15 Mann) in Ban.4s und Anhalts5 Zimmer versammelt. (Anhalt war zuletzt einige Zeit bei uns einquartiert. Er gehörte zu den Richtern, war Untersturmführer und ließ sich kaum sehen, kam still und ging still). Die hohen Herren breiteten Landkarten aus und hielten Lagebesprechung und kamen überein, möglichst schnell zu verduften, weil der Feind uns riesig schnell auf die Pelle rückte. Sie wollten sich, waffenlos und krüppelig, nicht dem Kampfe preisgeben. Zu Mittag aßen der Oberleutnant und eine Wehrmachtsangestellte hier. Er war sehr jung, trug viele Auszeichnungen und war vernünftig.

Die Stadt wimmelte von Soldaten und jungen Offizieren – mehr aber von Menschen, die alles alles leerkauften, Schlangestanden, wie ich es nie zuvor gesehen hatte. Ich mischte mich eifrig darunter, entwickele überhaupt in letzter Zeit ein ungeheures Hamsterund Organisationstalent. Vor Nüsen lernte ich einen jungen Leutnant kennen, der so ähnlich wie W.6 hieß. Er brachte mich nachhaus. – Nachmittags gab’s in der Stadt Revolution. Zu 100en zogen Warsteins Männer, an der Spitze die Prominenten: Ernst Fisch, der alte Cramer, Kaisers Bauer u.a. durch die Hauptstraße zur Post und rückten dem Postmeister, Ortsgruppenleiter Linneweber7, auf die Bude, daß er die Panzersperren abreißen ließe. Warstein solle sich kampflos ergeben. Man wollte die weiße Fahne hissen. Einige Sperren wurden geöffnet – fürs Volk. Allgemeine Beruhigung.

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