Der erste Kaiserlich-Osmanische Gala-Abend
am 22. März 2014 im Schloß Charlottenburg

Der Vorstand des Armenisch-Akademischen Vereins 1860 e.V. (AAV), dessen Vorsitzender Azat Ordukhanyan auch der Vorsitzende des Zentralrats der Armenier in Deutschland (ZAD) ist, weist in seiner Pressemitteilung vom 11.3. auf eine Veranstaltung hin, zu der es auf der Seite der Veranstalter1 heißt:

„Der erste Kaiserlich-Osmanische Gala-Abend findet am Samstag, den 22. März 2014 in Berlin statt. In den historischen Mauern des Schlosses Charlottenburg laden wir zur ersten Veranstaltung dieser Art ein. Zu Ehren dieses einzigartigen Ereignisses werden hochrangige Politiker, ehrwürdige Adelsfamilien, Prinzen verschiedener Nationen, bedeutende Historiker, herausragende Persönlichkeiten und engagierte Unternehmer eingeladen. Jeder, der die Freundschaft über Staatsgrenzen hinweg fördern möchte, wird hiermit aufgerufen, teilzunehmen. Lassen Sie sich diese historische Begegnung nicht entgehen.“

Daß dieser erste „Kaiserlich-Osmanische Gala-Abend2 die größte Veranstaltung zur Förderung internationaler Freundschaft“ sein soll, scheint mir in Anbetracht der Pressemitteilung des Armenisch-Akademischen Vereins 1860 e.V. sehr zweifelhaft zu sein, in der es heißt: „Wie geschichtsvergessen muss eine Gesellschaft eigentlich sein, um einen kaiserlich-osmanischen Gala-Abend zu feiern und das dann auch noch als Ausweis der Völkerverständigung zu etikettieren?...

Den Historiker packt das Grausen ...Ausgerechnet in dieser Zeit, in der Deutschland beginnt, das Erbe des ersten Weltkriegs neu aufzuarbeiten, soll nun die ,historische Freundschaft’ zwischen osmanischem Reich und deutschem Kaiserreich wiederbelebt werden? Wird der Gala-Abend, in den ehrwürdigen Räumen des Preußischen Kulturbesitzes, die 300.000 armenischen Opfer der hamidischen Massaker von 1894-1896 ehren? Wird der Gala-Abend die Opfer des großen Weltkriegs ehren? Wird der Gala-Abend die eineinhalb Millionen Armenier ehren, die im Windschatten des Kriegs und unter den Augen der verbündeten Deutschen abgeschlachtet wurden? Wird der Gala-Abend der Hunderttausenden Assyrer/Aramäer, Eziden und kleinasiatischen Griechen gedenken, die ebenfalls Opfer dieses türkischen Völkermords wurden?“

In den letzten Jahren haben mich manche Veranstaltungen erschüttert, an denen ich die Ehre hatte, teilnehmen zu dürfen. Besonders in Erinnerung geblieben sind mir zwei, über die ich schon geschrieben habe und auf deren Veröffentlichung ich hier aus Platzgründen verweisen möchte - sie brennen in mir wie Glutstücke:

Die Gedenkfeier der Armenischen Gemeinde Köln am 24.4.20133

Spuren der Jenseits schreienden Gegenwart“ am 13.5.2013 im Düsseldorfer Landtag4

Die von mir besuchten obigen Veranstaltungen fanden nicht in einem Schloß, sondern in der „Surp Sahak Mesrop“ (ehem. St. Christophorus) und im Düsseldorfer Landtag statt, und es waren nicht Angehörige traditionsreicher Adelsfamilien und Prinzen verschiedener Länder anwesend, aber durchaus außergewöhnliche Persönlichkeiten und Historiker, von denen ich Verschiedenes lernte.

„Wer die Opfer vergisst, der tötet sie noch einmal“, sagte Minu Nikpay in ihrer Rede am 24. April und begrüßte besonders Doğan Akhanlı („Annes Schweigen“). Der Film „Aghet. Ein Völkermord“ von Eric Fiedler5 zitiert Tacy Atkinson, eine amerikanische Missionsschwester in Harput von 1902-17: „Die Deutschen, die Türken und der Teufel selbst hatten sich zu einem Dreierbündnis zusammengefunden“.

„Stellen Sie sich das einmal vor: Sie überleben einen Völkermord und leben mit diesen Erinnerungen. Sie erzählen, was Ihnen tatsächlich passiert ist. Und dann sagt man Ihnen: ,Ihre Wahrheit stimmt so nicht, ist subjektiv oder zu emotional, zu ungenau.’ Das ist verheerend“, sagt Samantha Power, die außenpolitische Beraterin von US-Präsident Obama, in diesem Film.

Der AAV6 spricht in seiner Pressemitteilung von „kalter Wut“ und „Beleidigung der Opfer“ („Während die Überlebenden und deren Nachfahren sich auf den 100. Gedenktag zum Völkermord von 1915 vorbereiten, soll hier offenbar einmal mehr der Versuch unternommen werden, die Geschichte umzuinterpretieren“) und „fordert alle Empfänger der Einladungen auf, sich zu verweigern und den Veranstaltern die rote Karte zu zeigen“.

„Anlässlich des Kaiserlich-Osmanischen Gala-Abends laden die Kaiserlich deutsch-osmanische Gesellschaft und die Preußische Gesellschaft Berlin Brandenburg zur großen Pressekonferenz im Hilton Hotel ein. Interessenten werden gebeten, sich vorab unter pr(at)kaisersociety.com anzumelden (Ansprechperson: Ülgen Öztürk)“2 - Wäre das vielleicht auch eine gute Gelegenheit für die notwendige Aufarbeitung von Geschichte im Interesse der Förderung internationaler Freundschaft?

Wie schön wäre es, wenn sie alle persönlich zu dieser „Großen Pressekonferenz“ eingeladen würden: der Komitas-Chor der Armenischen Gemeinde Köln unter der Leitung von Artak Voskanian, Berta Arapoglu, Minu Nikpay, Vorsitzende der Armenischen Gemeinde Köln, Andreas Hupke, Bezirksbürgermeister von Köln-Deutz, Prof. Dr. Hans Lukas Kieser, Titularprofessor für Geschichte der Neuzeit an der Universität Zürich, Ilyas Uyar, Vorsitzender des Diözesanbeirats der Armenischen Gemeinde, Samantha Power, die außenpolitische Beraterin von US-Präsident Obama, Arthur Abraham, den Boxweltmeister aus Armenien, Delal Dink, die Tochter des 2005 ermordeten armenischen Journalisten, Doğan Akhanlı, unseren Kölner Schriftsteller, Pfarrer Hratch Biliciyan, Eric Fiedler, Nezahat und Kazım Gündoğan, Karen Krüger (FAZ), Helga Hirsch (Die Welt), Ibrahim Coskun, Bernhard „Felix“ von Grünberg, MdL, Integrationspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, Ismail Yüceer, Hüseyin Kaya, Diren Yeşil und Yaşar Kaya von der Föderation der Dersim Gemeinden in Europa e.V. (FDG) und ihrem Oral History-Projekt Dersim 38, Ali Doğan, ehemaliger Generalsekretär der Alevitischen Gemeinde Deutschlands e.V., , Arnd Kolb, Geschäftsführer vom „Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in Deutschland (DOM iD) e.V.“, Dimitrios Konstantinidis von den Pontos-Griechen und Dr. Burak Copur vom Institut für Turkistik der Universität Duisburg-Essen. Sie alle setzen sich schon so lange für die so schwierige und schmerzhafte Aufarbeitung von Geschichte und damit für ein friedliches Zusammenleben der Völker ein.

„Zu Ehren dieses einzigartigen Ereignisses werden hochrangige Politiker, ehrwürdige Adelsfamilien, Prinzen verschiedener Nationen, bedeutende Historiker, herausragende Persönlichkeiten und engagierte Unternehmer eingeladen.“

Wir brauchen eine neue Erinnerungskultur, mit Gedenktagen und Gedenkfeiern, mit Zeitzeugen-Interviews, neuen Schulbüchern, Referaten und Diplomarbeiten und mit sehr viel Verständnis für die Empfindlichkeiten auf allen Seiten. Denn nur die Wahrheit kann uns frei machen!

Ob dabei der erste Kaiserlich-Osmanische Gala-Abend am 22. März 2014 im Schloß Charlottenburg wohl hilfreich ist?

 

Nadja Thelen-Khoder

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Ihr Portalteam

(1) http://kaisersociety.com/

(2) http://kaisersociety.com/index.php?option=com_content&view=category&layout=blog&id=89&Itemid=1241

(3) http://afz-ethnos.org/aktuelles/63-wir-sind-alle-armenier („Wir sind alle Armenier“)

(4) http://www.migrapolis-deutschland.de/index.php?id=2449

(5) http://www.ndr.de/kultur/kino_und_film/ndr_produktionen/aghet/aghet102.html

(6) Armenisch-Akademischen Verein 1860 e.V., Postfach 250 110, 44739 Böchum

(7) http://www.spiegel.de/fotostrecke/fotostrecke-18813.html

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