Nadja Thelen-Khoder

„Fünf Menschen unseres Glaubens, die in diesen Räumen gequält wurden“
Für Markus Lindheimer, Martin Liebermann, Emil Walz, Julius Braun,
Justus Fuld und die Jüdische Kultusgemeinde Erlangen


„Nr. 4 Erlangen, den 2. Januar 1943“

„Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
         wir von der Jüdischen Kultusgemeinde verfolgen die Planungen zu den Neubauten auf dem Gelände der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt aufmerksam, und vor allem bedrückt uns der geplante Abriss des östlichen Patiententrakts der ehemaligen Nervenklinik.
         Der Grund dafür ist unser Bezug zur ehemaligen Geschichte des Bauwerks, in dem nach unserem Wissen mindestens ein Jude im Zusammenhang mit der sogen. ,Euthanasie‘ gestorben ist. Es handelte sich um Markus Lindheimer aus Miltenberg, der am 31. Juli 1941 von der Pflegeanstalt Gremsdorf her nach Erlangen gebracht wurde. Er starb mit 58 Jahren am 2. Januar 1943 in der Station H1, wohin er am 18. Februar 1942 ,aus organisatorischen Gründen verlegt werden (musste)‘, wie es in seiner Patientenakte heißt. H1 befand sich im Souterrain des östlichen Patiententrakts. Genau hier setzte man also die Patienten dem aus, was in der Fachforschung als ,strukturelle Unterversorgung‘ bezeichnet wird. …
         Mit Herrn Lindheimer zusammen wurden vier weitere Männer in die HPA eingewiesen, die man am 23. Januar 1942 in die Psychiatrie des Jüdischen Krankenhauses Berlin abschob. Zwei Männer wurden später nach Auschwitz verbracht, die anderen beiden waren nicht transportfähig und starben im Krankenhaus. Vermutlich waren auch sie alle in H1 gewesen, und vielleicht hat man an ihnen bereits die neue ,B-Kost‘3 angewendet.
         Fünf Menschen unseres Glaubens, die in diesen Räumen gequält wurden, deren Klagen sich sozusagen in die DNA der umgebenden Mauern eingefressen haben, das ist unser Beweggrund, Sie zu bitten, diesen Ort der verbrecherischen Untat nicht auslöschen zu lassen. Fünf Menschen, das erscheint im Vergleich zu der großen Zahl der anderen Leidgenossen sehr wenig, für uns ist aber jeder Mensch gleich wichtig.
         Frau Dr. Charlotte Knobloch sagte einst im Zusammenhang mit der in Forchheim geplanten Überbauung des Synagogengrundstücks: ,Dies ist heiliger Boden. Er darf niemals überbaut werden‘. Nun ist ein Krankenhaus kein heiliger Boden, sicher nicht. Aber der Respekt vor den auf unsagbar grausame Art Gequälten gebietet es, nichts unversucht zu lassen, wenigstens das Andenken an sie insoweit zu bewahren, dass für uns heute Nachkommenden der Ort ihrer Agonie weitestmöglich erkennbar bleibt.“

So beginnt der Offene Brief von Christof Eberstadt und Ester Limburg-Klaus, Vorsitzende der Jüdischen Kultusgemeinde in Erlangen, an Oberbürgermeister Florian Janik.

Den ganzen Beitrag lesen:


Texte, Themen und Inhalte
dieser Internetpräsenz sind in Übereinstimmung mit der

EU-Urheberrechtsrichtlinie
dem Ausbildungs- und Forschungszentrum Ethnos vorbehalten.

In dieser Internetpräsenz sind einige
Links und Referenzen bilderähnlich dargestellt worden