Gräber öffnen – Würde wiedererlangen
Exhumando fosas - recuperando dignidades  

Ausstellung vom 2. September 2015 - 30. Oktober 2015 im Europasaal
Vernissage am 2. und 3. September im Europasaal      

Veranstalter: Deutsche Gesellschaft e.V., Asociación para la Recuperación de la
Memoria Histórica, Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur  

Ort:     Deutsche Gesellschaft e. V.
           Mosse-Palais Voßstraße 22
           10117 Berlin  

„Spanien ist übersät mit Massengräbern – manche bekannt und als solche gekennzeichnet, längst nicht alle, und in einigen Gegenden, sagen die Zyniker, liegen mehr Tote vor den Friedhöfen als darin.“ So zitiert die 2000 gegründete Asociación para Recuperación de Memoria Histórica (1) aus „Blutorangen“ (2).  

Wie dankbar bin ich meinen spanischen Freunden, die es mir nicht verübelt haben, daß ich so lange überhaupt nichts davon wußte:

Nichts von den 114 000 Menschen, die die ARMH (3)wiederfinden will - Menschen, die seit 1936, dem Beginn des spanischen „Bürgerkrieges“ (4 und 5) „verschwanden“, irgendwo verscharrt, erschossen, erschlagen, weggeworfen, liegengelassen, in Straßengräben, Wüsten, unter Parkplätzen – irgendwo. Nur die Zeitzeugen erinnern sich noch – die Brüder, Söhne, Ehefrauen, ... .

Nichts von der „Asociación para Recuperación de la Memoria Histórica” (ARMH), die zur Zeit in Spanien mit bloßen Händen (6) und Pinseln (7) nach unbekannten Opfern sucht (8).  

Nichts von Emilio Silva, der mit Santiago Macías zusammen das Buch „Las fosas de Franco. Los republicanos que el dictador dejó en las cunetas. Prólogo de Isaías de Lafuente“ (Madrid 2003) geschrieben hat.   Nichts von Friedrich August Freiherr von der Heydte (9), der am 19.10.1953 an den spanischen Außenminister Martin Artajo schrieb: „España es la conciencia católica de Europa” („Spanien ist das katholische Gewissen Europas“ (10). Und alljährlich versammelte er sich mit dem CEDI, dem „Centro Europeo de Documentación e Información“ (11), mit Franco, Salazar, Strauß, Roegele und so vielen anderen hoch- und höchstrangigen Politikern, Militärs, Bankiers und Verlegern mehr vorzugsweise im Escorial.  

Auch das CEDI (12) kannte ich bis vor kurzen nicht, obwohl das Escorial nicht eben ein unbedeutender Versammlungsort, die Teilnehmer nicht gerade unbedeutende Figuren der Weltgeschichte sind.  

Ich verdanke meinen spanischen Freunden Marga, Joaquín, Joaquím, Alicia, Luis, Concha, Nerea und Laura, daß sie mir den Kontakt zu weiteren wunderbaren Menschen ermöglicht haben:

Zu Emilio Silva, der mit mir Friedhöfe besuchte

und mir einen Eindruck davon gab, wie unterscheidlich an Tote erinnert wird -  

so
,  

so
 

oder noch gar nicht
.  

Zu Matías Alonso Blasco, Miguel Mezquida Fernández und ihrer „Grupo para la Recuperación de la Memoria Histórica (GPRMH)”, die mich nicht in die Wüste schickten, sondern mit in die Wüste nahmen und mir zeigten, wie „Kultur des Friedens” wesentlich aussieht:

 Was für großartige Menschen sind das, die in sengender Hitze mitten in der Sierra versuchen, Tote zu finden – Menschen, die einfach vergessen werden sollen.    

Welche Ehre war es für mich, bei dieser Friedensarbeit dabei gewesen zu sein!    

Und ich denke auch wieder an die Zeitzeugen und Zeugen der Zeitzeugen aus Armenien und Dersim, an das Oral History Projekt Dersim 1937/38 und an die so wichtige Aufarbeitung unserer Geschichte, die so oft verschwiegen wird und sich langsam aber sicher Bahn bricht (13). Keiner der oben Genannten kannte das CEDI, als ich sie danach fragte – wie kann das sein? Was wissen wir sonst noch alles nicht? Wir suchen und finden Wahrheiten und Tote!     

Die Ausstellung „Gräber öffnen – Würde wiedererlangen. Exhumando fosas - recuperando dignidades” wurde von der Sociedad de Ciencias Anranzadi (14) und der ARMH koordiniert. „Sie präsentiert in Fotografien und Texten die wissenschaftlichen und menschlichen Aspekte der Exhumierungsprozesse. Die Deutsche Gesellschaft e.V. zeigt diese Dokumente nun in Berlin“, heißt es in der Einladung.  

Bei der Vernissage am 2.9.2015 um 19 Uhr mit Grußworten von  

- Gloria Mínguez, Botschaftsrätin der Spanischen Botschaft, Leiterin der Kulturabteilung
- Dr. Anna Kaminsky, Geschäftsführerin der Bundesstiftung Aufarbeitung und
- Wolfgang Wieland, Vorstand der Deutschen Gesellschaft e. V.  

sind  

- René Pacheco, Archäologe
- Alejandro Rodríguez, Historiker
- Marco González, Vizepräsident der ARMH
- Nuria Máqueda, Assistentin Archäologie der ARMH  

anwesend.  

Gezeigt wird der Dokumentarfilm „Las Cunetas – In den Straßengräben Spaniens“ von Bodo Marks und Shelina Islam.  

Am 3.9.2015 um 18 Uhr findet mit einem Grußwort von Wolfgang Wieland, Vorstand der Deutschen Gesellschaft e. V., die Buchpräsentation von „Blutorangen“ von Verena Boos statt, und es wird der Film „Santa Cruz, por ejemplo“ von Günter Schwaiger gezeigt. Es sprechen unter der Moderation von Verena Boos  

- Emilio Silva, Präsident der ARMH, und
- René Pacheco, Archäologe,  

über die Wiedererlangung der Historischen Erinnerung in Spanien. Der Eintritt ist frei. Um Anmeldung zur Vernissage wird gebeten.  

Ansprechpartnerin:  

Maria Hufenreuter
Tel. 030 – 88 412 162
E-Mail: maria.hufenreuter(at)deutsche-gesellschaft-ev.de

Betr.: Das Fehlen der spanischen Diktatur (15)

Anmerkungen:

(1)  www.memoriahistorica.org
(2)  http://blutorangen.com/?p=36
(3)  http://memoriahistorica.org.es/was-ist-der-verein-zur-wiedererlangung-der-historischen-erinnerung/
(4)  https://www.dhm.de/lemo/bestand/objekt/d2a06029_1
(5)  Die „Legion Condor“ zerstörte Guernica (http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/ca/Bundesarchiv_Bild_183-H25224%2C_Guernica%2C_Ruinen.jpg); drei Jahre lang kämpften 15 000 deutsche Soldaten Hitlers und brachten Franco an die Macht
(6)  http://www.memoriahistorica.org.es/joomla/images/stories/fotos/argomoso/2.jpg
(7)  http://www.memoriahistorica.org.es/joomla/images/stories/fotos/vallecillo/4.jpg
(8)  http://www.memoriahistorica.org.es/joomla/images/stories/fotos/arondiga/6.jpg
(9)  https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_August_von_der_Heydte
(10) “No sólo las sesiones del Centro Europeo de Documentación, sine toda la estancia en España fue para mí una experiencia única: he visto por primera vez un país que vive de le fe y con la fe informa sú política; espero que este país será para una Europa sin fe o, por la menos, con una fe débil, estimulo, ejemplo y base. España es la conciencia católica de Europa.”; aus „El régimen de Franco (1936-1975)“,hrsg. von Javier Tusell, Susana Sueiro, José Marín und Marina Casanova, Madrid 1993, Bd. 2, S. 481. Eigene Übersetzung: „Nicht allein die Tagungen des Europäischen Zentrums für Dokumentation, sondern der ganze Aufenthalt in Spanien war für mich eine einzigartige Erfahrung: Ich habe zum ersten Mal ein Land gesehen, das aus dem Glauben lebt und mit dem Glauben seiner Politik Gestalt gibt; ich hoffe, daß dieses Land für ein Europa ohne Glauben oder zum wenigsten einem kraftlosen Glauben eine Anregung, ein Vorbild und eine Basis sein wird. Spanien ist das katholische Gewissen Europas.“
(11) https://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4isches_Dokumentations-_und_Informationszentrum
(12) In „ ,Treue Freunde...`? Westdeutschland und Spanien 1945-1963“ befindet sich auf den Seiten 425-435 das Kapitel 5.4.3 „Die Abendländische Aktion und das CEDI“. Und besondere Einblicke durch zahlreiche Photos und Texte gewährt das stolze Buch des Generalsekretärs Georg von Gaupp-Berghausen „20 años / années / years / Jahre C.E.D.I.“ (Madrid 1971)
(13) „Spuren der Jenseits schreienden Gegenwart“. Erinnerungskultur im Düsseldorfer Landtag http://www.migrapolis-deutschland.de/index.php?id=2449
(14) http://www.aranzadi.eus/
(15) http://memoriahistorica.org.es/boletin-de-afiliacion/
(16) http://www.nachdenkseiten.de/?p=15970  

Heute wird wieder viel von Krieg gesprochen, und als vor kurzem das Wort vom „Totalen Krieg” aus der Ukraine fiel, dachte ich:  

Wir haben unsere Toten noch nicht ausgegraben, haben die Opfer noch nicht einmal beerdigt – und da planen und führen Andere schon wieder neue Kriege. Heute ist der 1. September. Heute vor 76 überfielen deutsche Soldaten Polen, und wir begehen diesen Tag als Anti-Kriegs-Tag. Guernica, Warschau, Leningrad (16), Stalingrad, Dresden – alle diese Städte sagen das gleiche:  

Nie wieder Krieg!
Brüder, die Waffen nieder!
Laßt uns gemeinsam unsere Toten ausgraben!    

(Dieses Bild zeigt einen unbekannten Soldaten, der im Hürtgenwald gefunden wurde. Jedes Jahr werden dort 3-5 Leichen ausgegraben, und eine Identifizierung ist oft nicht möglich.  

Aber wenigstens einen Grabstein bekommen sie:

  .  

Wo sind die 114 000 Toten, die die ARMH sucht? Und wo sind die Grabstätten und Gedenksteine für die Opfer in Spanien?

Gräber öffnen – Würde wiedererlangen
Exhumando fosas - recuperando dignidades  

Nadja Thelen-Khoder

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