Nadja Thelen-Khoder

Am 15. August vor 76 Jahren. Für Iwan Scharow und all die Anderen bei
Siepmann-Werke Aktiengesellschaft Belecke-Möhne, Warstein

Auszüge

„… auch in meiner Familie waren waschechte Nazis! Daß meine Großmutter mütterlicherseits, die Frau von Dr. Segin, als NSDAP-Mitglied auch Leichen der 71 im Langenbachtal von deutschen Soldaten erschossenen und erschlagenen meist sowjetischen Zwangsarbeiter waschen mußte, habe ich erst vor kurzem erfahren.“ (Teil 1, S. 15)

„Die Industrie- und Handelskammer für das südöstliche Westfalen verleiht durch ihren Präsidenten, Generaldirektor Fritz Honsel, nach erfolgter Zustimmung des Beirats, dem Fabrikbesitzer Hugo Siepmann den Titel eines Ehrenpräsidenten, weil er sich in über 25jähriger Arbeit um die Wirtschaft seiner westfälischen Heimat und damit um das Vaterland sehr verdient gemacht hat. Arnsberg im September 1939 (Unterschrift)“ (Teil 1, S. 23)

„Vor dem Beirat der Industrie- und Handelskammer für das südöstliche Westfalen in Arnsberg gab Kammerpräsident, Generaldirektor Fritz Honsel, Meschede, einen eingehenden Ueberblick über Gegenwartsfragen der Wirtschaft. Der bisherige Verlauf des Krieges habe gezeigt, daß das Kriegsglück auf Seiten der Ordnungsmächte stehe. Die Voraussetzungen hierfür lägen in der totalen Mobilisierung aller Kräfte. Deutschland sei im ersten Weltkrieg nur deshalb unterlegen, weil damals die Totalität des Einsatzes nicht erreicht wurde. Heute dagegen garantiere die Einheit der politischen und militärischen Führung die restlose Ausschöpfung aller Kräfte des deutschen Volkes und somit den Sieg. Das deutsche Wirtschaftssystem als solches habe sich in jeder Weise bewährt. Deutschland sei noch immer das am besten versorgte Volk Europas. … In dem Ringen nach einem neuen Verhältnis zwischen Unternehmer und Staat und nach dem nationalsozialistischen Unternehmertyp seien wir einen bedeutenden Schritt vorwärts gekommen. Entscheidend sei nicht die Fragestellung ,Privat- oder Staatswirtschaft’, obwohl der privaten Wirtschaft der Vorzug gebühre, sondern die Erhaltung der Privatinitiative, der Entschlußkraft, Verantwortungsfreudigkeit und Unternehmungslust. Kurzum, es komme darauf an, den Leistungswillen der Einzelpersönlichkeit zu erhalten. Der Dienstgedanke anstelle des Gewinnstrebens müsse sich wieder vertiefen.“ (Teil 1, S. 41)

Liste der „russischen Zivilarbeiter in Belecke (Möhne) bei Siepmann-Werke (Teil 1, S. 50)

„Ostarbeiter“ sind nicht einfach „Arbeiter aus dem Osten“, sondern stehen als Bürger der Sowjetunion mit den auf ihre Eigenschaft als Juden reduzierten Menschen auf der untersten Stufe der nationalsozialistischen Ideologie der „Rassen“ und „Herrenmenschen“ bzw. an erster Stelle der zu Feinden erklärten Menschen („jüdisch-bolschewistische Weltrevolution“) (Teil 1, S. 68)

Grabdenkmal für einen verstorbenen russischen Bürger

Mein Vater Josef Becker, geboren am 26.06.1891, hat am 20.05.1944 von dem damaligen Bürgermeister Vollmer die Anweisung erhalten, für einen verstorbenen ,Ostarbeiter’ einen Platz für dessen Beerdigung herzurichten. Der im damaligen Gefangenenlager verstorbene „Ostarbeiter“ wurde nach der Schilderung meines Vaters im orthodoxen Ritus von seinen mitgefangenen Kameraden „feierlich“ beerdigt.

An dieser Stelle ist ein Dokument eingefügt:

„Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei
Gauleitung Westfalen-Süd
Kreis: Arnsberg
Ortsgruppe: Belecke-Möhne
Betreff: Der Ortsgruppenleiter

Belecke, den 11.8.1944
Herrn
Josef Becker
Belecke-Möhne Mittelstr. 20

Es wird mir gemeldet, daß Sie für einen kürzlich tötlich verunglückten Ostarbeiter einen Grabstein anfertigten, der an den Seiten neben dem Kreuz je einen Sowjetstern zeigte. Es ist mir wirklich unverständlich, wie Sie einen solchen Stein aufstellen können. Von Ihnen als Parteigenosse muß man doch erwarten, daß Ihnen die weltpolitische Auseinandersetzung, um die es in diesem Schicksalskampf unseres Volkes geht, hinreichend bekannt ist. Ihre Handlungsweise ist mir deshalb unbegreiflich, auch schon deswegen, weil Sie selbst ja einen Sohn in diesem schweren Ringen verloren haben. Ich will nicht annehmen, daß Sie provozieren wollten, sondern sehe vielmehr Ihr Verhalten als eine grenzenlose Dummheit an.
Sie haben sich als Parteigenosse derart unwürdig benommen, daß ich gezwungen bin, diese Angelegenheit dem Kreisgericht der NSDAP zur Entscheidung zu unterbreiten, was Sie hiermit zur Kenntnis nehmen wollen.
Heil Hitler! [Stempel: „NSDAP, Ortgruppe (Unterschrift)
Belecke (Möhne)”] Hauptgemeinschaftsleiter“ (Teil 1, S. 69)

„Nr. 38“ ist der „Fastenhirtenbrief“ mit seinen entsetzlichen Worten: „Meine lieben Erzdiözesanen! Schaut hin auf Rußland! Ist jenes arme unglückliche Land nicht der Tummelplatz von Menschen, die durch ihre Gottfeindlichkeit und durch ihren Christushaß fast zu Tieren entartet sind? Erleben unsere Soldaten dort nicht ein Elend und ein Unglück sondergleichen? Und warum? Weil man die Ordnung des menschlichen Lebens dort nicht auf Christus, sondern auf Judas aufgebaut hat.“ (Teil 1, S.102)

In „Konzentrations“-Lagern wurden Menschen in diese Kategorien gepreßt und gekennzeichnet: „Deutscher politischer Schutzhäftlig“, „Französischer politischer Schutzhäftling“, „Spanischer politischer Schutzhäftlig“, „Jüdischer politischer Schutzhäftling“, „Bibelforscher“, „Emigrant“, „Aktionshäftling (in Massenaktionen wegen politischer Unzuverlässigkeit eingeliefert)“, „Jüdischer Emigrant“, „Krimineller (Befristete Vorbeigehaft = BV)“, „Sicherungsverwahrter Krimineller (Noch in Strafhaft)“, „Jüdischer BVer“, „Asozialer“, „Jüdischer Asozialer“, „Arbeitserziehungshäftling (,Arbeitsscheue‘)“, „Jüdischer ,Rassenschänder‘“, „Zigeuner“, „Homosexueller“, „Politischer Schutzhäftling der Strafkompanie“. (Teil 2, S. 115)


„Ich wußte nicht mehr, in welche Richtung ich gehen mußte, um nach Hause zu kommen.“ (Mein Vater) (Teil 2, S. 125)

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